Offener Brief an Christine Lambrecht (BMJV) und an Olaf Scholz (BMF)

Öko-Invest-Verlags-GmbH

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Hier ist ein Download des Briefs möglich.

An das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Frau Bundesministerin Christine Lambrecht

An das Bundesministerium der Finanzen, Herrn Bundesminister Olaf Scholz

Wien, 13.10.2020

ÖKO Test AG – Prüfstein für Rechtsrahmen und Eigentümerverantwortung

Offener Brief

Sehr geehrte Frau Ministerin Lambrecht,

sehr geehrter Herr Minister Scholz,

der ÖKO-Invest-Verlag berichtet seit 1991 über ökologisch sinnvolle und rentable Investments. Mein Unternehmen gehört zu den Gründungsgesellschaftern der ÖKO-Test AG und hält insgesamt etwa 1,7 % der Aktien an der ÖKO-Test AG. Die ÖKO-Test AG steht zu etwa 80 % mittelbar im Eigentum der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).

Gegenwärtig befindet sich die ÖKO-Test AG in einer schwierigen Phase. Dabei geht es auch um die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen Geschäftsaktivitäten in China. Der dort für das operative Geschäft verantwortliche Mitarbeiter hatte zuvor der Bürgerschaft in Hamburg für die SPD angehört. Bedauerlicherweise hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 25. September 2020 eingestellt. Für die Minderheitsaktionäre stellt sich die Frage, ob die SPD im erforderlichen Umfang ihrer unternehmerischen Verantwortung nachkommt.

Nach diversen Skandalen wie CumEx und Wirecard stehen das Integritätsinteresse der Finanzmärkte sowie der Schutz von Anlegern auf dem Prüfstand. Die regulatorischen Rahmenbedingungen und der Deutsche Corporate Governance Kodex stammen überwiegend aus einer Zeit, in der die SPD in der Regierungsverantwortung stand. Auch jetzt tragen Sie als SPD-Mitglieder und Bundesminister die politische Verantwortung für den Regelungsrahmen und seine Durchsetzung.

Darüber hinaus trägt die SPD als die „Partei des kleinen Mannes“ die unternehmerische Verantwortung bei der ÖKO-Test AG. Dort ging es auch auf der letzten Hauptversammlung am 6. August 2020 vor allem um die Frage, ob und in welchem Umfang die Eigeninteressen der juristischen Person ÖKO-Test AG und die berechtigten Belange der Minderheitsaktionäre gewahrt werden. Dazu gehört auch die Prüfung und Durchsetzung von Ersatzansprüchen der ÖKO-Test AG ebenso gegenüber (ehemaligen) Mitarbeitern, die zugleich Mitglieder der SPD waren bzw. von ihr als Eigentümerin in die Organe gewählt wurden. Dabei werden uns „interne Untersuchungen“ nicht überzeugen, die sich auf die Auswertung von Akten der Staatsanwaltschaft beschränken. Die relevanten Unterlagen und Kenntnisse liegen immer einer Gesellschaft vor.

Außerdem suchen die Minderheitsaktionäre nach einer Perspektive für ihre Investitionen. Es spricht einiges dafür, dass eine Beteiligung von Minderheitsaktionären an der ÖKO-Test AG künftig nicht mehr als sinnvoll erscheint.

Sie beide tragen nicht nur in der Bundesregierung Verantwortung für das Aktien- und Kapitalmarktrecht. Ihr Wort hat auch in der SPD Gewicht. Daher mache ich Sie auf diesem Weg auf die besondere Situation für die „Kleinanleger(innen)“ in der ÖKO Test AG und die Verantwortung der SPD als mittelbarer Hauptaktionärin aufmerksam. Hier bietet sich für die SPD die Möglichkeit, durch umsichtiges unternehmerisches Verhalten Maßstäbe für den Umgang mit den Eigeninteressen einer juristischen Person und Minderheitsaktionären zu setzen.

Falls Ihre Ministerien den regulatorischen Rechtsrahmen für Anleger neu justieren möchten, stehe ich als erfahrener Investor (und seit 29 Jahren Chefredakteur des Börsenbriefs ÖKO-Invest: siehe Leitartikel und Indexseite der aktuellen Ausgabe Nr. 690 anbei) gerne für einen Gedankenaustausch zur Verfügung. Gerade nach Wirecard und CumEx besteht hier ein umfassender Handlungsbedarf. Es erscheint jedenfalls auch insoweit als sachgerecht, bei der ÖKO-Test AG mit gutem Beispiel voranzugehen.

Mit freundlichen Grüßen

Max Deml